Markus Wehrle und Amadeo Touet hatten bisher noch keine Apotheke von innen gesehen, jedenfalls nicht hinter den Kulissen. Zwar waren sie schon des Öfteren als Patient in der Offizin, also im Verkaufsbereich einer Apotheke. Aber was im Hintergrund abläuft, blieb ihnen bisher verborgen. Umso überraschter waren die Medizinstudenten im 9. Semester, welche Aufgaben neben der Herausgabe eines Arzneimittels ein Apotheker zusätzlich bewältigen muss. „Eine wichtige Voraussetzung für eine sichere Arzneimittelversorgung der Patienten ist die Kommunikation von Arzt und Apotheker auf Augenhöhe. Wenn Medizinstudenten bereits in ihrer Ausbildung Hürden der Arzneimittelabgabe kennenlernen, kann das Verständnis für die notwendigen Rückfragen der Apotheker beim Arzt wachsen“, erklärte Dr. Ralf Gröpler seinen Hospitanten am 25. Oktober 2016.
Der Apotheker führte die Studenten durch seine Goethe-Apotheke in Magdeburg und informierte über das richtige Ausstellen eines Rezeptes, über Fragen der Warenlogistik, stellte die Rezeptur und das manuelle Verblistern für Pflegeheime vor. Großen Eindruck hinterließ bei den Studenten die ABDA-Datenbank mit ihrer aktuellen Übersicht aller Arzneimitteinteraktionen. Läuft es mal nicht rund in der Arzneimittelversorgung, dann wachen die Arzneimittelexperten über Komplikationen und fangen Probleme bereits im Vorfeld ab. Dr. Ralf Gröpler hatte ein Beispiel dafür zur Hand: Ein Patient mit einer Zytostatikatherapie bekam von einem anderen Arzt zusätzlich das Virusstatikum Zostex verordnet. Diese Kombination kann für den Patienten im schlimmsten Fall tödlich enden. Damit wird deutlich, wie wichtig die Arbeit der Apotheker ist.
Wechselwirkungen von Arzneimitteln bildeten einen Schwerpunkt in der Hospitation der Studenten. Insgesamt elf Besuche mit jeweils zwei Studenten sind in drei Magdeburger Apotheken bis Ende Januar 2017 vorgesehen. Erklärtes Ziel ist es, sich einmal von der medizinischen Fachebene zu lösen, den eigenen Horizont zu erweitern und so einen offeneren Blick für die Therapie des Patienten zu haben. Im Ausbildungskomplex: „Die Medizin des Alterns und des alten Menschen“ des Instituts für Allgemeinmedizin der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg kooperiert das Institut mit der Apothekerkammer Sachsen-Anhalt.
„Keiner kann den konkreten Überblick über mehr als 100.000 Arzneimittel im Markt haben. Wir in der Apotheke haben stets aktuelle Daten zu den Arzneimitteln. Dazu gehören Chargensperrungen, Außer-Vertrieb-Artikel, Rabattvertragsartikel und aktuelle Preise. Außerdem sehen wir die Gesamtmedikation unserer Stammpatienten. Das reicht von der Blutdrucktablette über das Antibiotikum bis zum selbst gekauften Hustensaft. Damit sind wir nicht nur gute Ratgeber für unsere Kunden, sondern auch unverzichtbare Partner der Ärzte“, erklärte Dr. Gröpler. Und er ergänzte: „Diese Hospitation muss keine Einbahnstraße sein. Ich finde es genauso wichtig, dass Pharmazeuten in ihrer Ausbildung auch Einblicke in eine Arztpraxis erhalten, um das gegenseitige Verständnis zu entwickeln.“
Die Hospitation der Medizinstudenten ist ein weiterer Baustein in einer engeren Zusammenarbeit der medizinischen Berufe. Das richtige Ausfüllen eines Rezeptes kann heute viele abrechnungstechnische Hürden hervorrufen. Um hier die besonderen Belange aus Sicht eines Apothekers zu erläutern, engagiert sich Dr. Lars Mohrenweiser, Arzt, Apotheker und Vizepräsident der Apothekerkammer Sachsen-Anhalt auch in der Ärztlichen Fortbildung. Patienten mit Multimedikation fordern Arzt und Apotheker gleichermaßen, gilt es doch gerade bei diesen Patienten unerwünschte Arzneimittelinteraktionen zu erkennen und zu vermeiden. „Die öffentliche Apotheke besitzt mit der Kundenkarte, in der alle Medikamente (rezeptpflichtig und freiverkäuflich) gespeichert werden, ein hervorragendes Instrument, um Arzneimittelinteraktionen auszuschließen“, nennt er Vorzüge einer engen Apothekenbetreuung. Weiter führt er dazu aus: „Interaktionsprobleme lassen sich oft nur im Schulterschluss beider Berufsgruppen lösen. Aus diesem Grund sollte die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apothekern im täglichen Praxisalltag erleichtert werden, um am Ende die Arzneimitteltherapiesicherheit für die Patienten zu erhöhen.“