(Magdeburg, 08. September 2021). „Kein Mensch, zumindest nicht in unserer Generation, kann sich ein Leben ohne Apotheken vorstellen.“ Mit diesen Worten gratulierte Sachsen- Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff der Apothekerkammer und dem Landesapothekerverband zum 30-jährigen Bestehen der beiden Berufsorganisationen am 01. September 2021 in der Magdeburger Viehbörse. Der Ministerpräsident richtete sich mit einem Grußwort an die rund 100 Gäste. Er nehme noch sehr häufig Apotheken in der Fläche wahr. Während Pfarrhäuser in den Orten leer sind oder Schulen fehlen, übernehmen die Apotheken neben der Gesundheitsversorgung viele pastorale Aufgaben in der Gesellschaft, die zuvor auf mehrere Berufsstände verteilt waren. In den Apotheken gebe es noch Beratung und menschliche Zuwendung. Außerdem dankte der Ministerpräsident für die Übernahme der durch die Corona-Pandemie veranlassten neuen Aufgaben, wie dem Umsetzen der Bürgertestungen auf das Coronavirus. Haseloff: „Das ist keinesfalls selbstverständlich. Wir konnten in der Pandemie auf ihre flächendeckende Kompetenz und ihre Fähigkeit zurückgreifen und hervorragend zusammenarbeiten zum Wohle der Menschen im Land.“
Apothekerkammer und Landesapothekerverband als Organe der Selbstverwaltung sind heute leistungsfähige Selbstverwaltungseinrichtungen und Mittler zwischen Staat und Berufsstand. Sie kümmern sich mit ihrer Arbeit um die wichtigen politischen, vertraglichen und regulativen Rahmenbedingungen zur sicheren und flächendeckenden Versorgung mit Arzneimitteln. Die Arbeit in den Apotheken hat sich mittlerweile deutlich ausgeweitet. Heute stehen nicht mehr nur die Information und Beratung zu Arzneimitteln, sondern auch die Förderung der Arzneimitteltherapiesicherheit im Mittelpunkt. Diese Aufgaben bleiben, wenn die Digitalisierung für die Patienten demnächst spürbarer wird. „Wenn im kommenden Jahr das elektronische Rezept Einzug in das Gesundheitswesen hält, werden wir weiter persönlich für unsere Patienten da sein. Es ändern sich lediglich Aussehen und Weg des Rezeptes vom Arzt zur Apotheke. Die flächendeckende Arzneimittelversorgung rund um die Uhr durch die Vor- Ort-Apotheke, verbunden mit dem vertrauensvollen Patientengespräch, bleiben auch zukünftig der große Vorteil für die Bevölkerung“, erklärte Dr. Jens-Andreas Münch, Präsident der Apothekerkammer in seiner Festrede.
Das flächendeckende Netz der wohnortnahen Vor-Ort-Apotheken in persönlicher Verantwortung von Apothekerinnen und Apothekern habe sich in der Pandemie einmal mehr als effiziente Struktur bewährt. Mit hohem persönlichem Einsatz gelang die durchgängige Arzneimittelversorgung. Und trotzdem wurden wichtige Aufgaben zusätzlich übernommen. „Wir waren Vorreiter bei der Etablierung von Schutzmaßnahmen in Verkaufsräumen, bei der Herstellung von Desinfektionsmitteln. Mit einer erheblichen Ausweitung der Botendienste konnten Kontakte minimiert und auch Menschen in Quarantäne zuverlässig versorgt werden. Dass wir für die Zukunft gerüstet sind und auch „digital können“, haben wir unlängst mit der schnellen Umsetzung der Ausstellung von digitalen Impfzertifikaten bewiesen – inzwischen sind es über 32 Mio.“, so Dr. Münch. Und ergänzte: „Das einzig stete in unserem Beruf ist der Wandel.“
„Die Digitalisierung schreitet voran. In dieser Entwicklung sind wir Vorreiter und Ratgeber auf vielen Ebenen. So sorgen wir dafür, dass auch im digitalen Zeitalter die Apotheke vor Ort als fachlich kompetenter und empathischer Ansprechpartner für die Patienten da ist. Aber wir brauchen ein solides Informationsmanagement, wenn wir die zukünftigen Technologien und Arzneimittel erfolgreich in den therapeutischen Alltag überführen und zum Nutzen der Menschen anwenden wollen“, erklärte Mathias Arnold, Vorsitzender des Landesapothekerverbandes Sachsen-Anhalt in seiner Rede.
Das Vertrauen der Menschen in ihre Apotheke entstehe durch Kommunikation, Authentizität und Ehrlichkeit. Erst die pharmazeutische Beratung vor Ort macht aus einem Arzneimittel ein wirksames Therapeutikum für den Menschen. Apothekenpflicht und Verschreibungspflicht zum Beispiel sind praktischer Gesundheits- und Verbraucherschutz. Arnold: „In einem demokratischen System schaffen Gesetze und Verordnungen Vertrauen und Sicherheit in einer komplexen Welt. Sie schaffen die rechtliche Grundlage, damit Apotheker die persönliche und empathiegetragene Versorgung aller Bürger übernehmen können. Ganz egal, wie der soziale oder intellektuelle Status der Patienten ist. Wir versorgen jederzeit und wohnortnah auf Augenhöhe. Das zeichnet unseren Heilberuf auch in Zukunft aus.“
Prof. Dr. med. Giovanni Maio, Direktor des Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg setzte sich in seiner Festrede mit Fragen der Ethik und der Stellung des Apothekers bzw. der Pharmazie in der Zukunft auseinander. Er betonte das besondere Vertrauensverhältnis von Patient und Apotheker. Den freien Heilberuf Apotheker zeichnet es aus, dass er unabhängig seine Patienten berät. Er ist dem Gemeinwohl verpflichtet. Kranke Menschen erwarten, vom Apotheker in Fragen der sicheren Arzneimitteltherapie umfassend und kompetent beraten zu werden. Daher liegt die Zukunft darin, nicht den Verkauf bzw. die Abgabe von Medikamenten zu vergüten, sondern die Hilfestellung bei der richtigen Anwendung.
Apothekerinnen und Apotheker stehen an der Seite ihrer Patienten beim Erwerb von Gesundheitskompetenz. Das gelingt nur durch Information und in der Interaktion mit den Patienten. Die Vergütung dürfe nicht von der Anzahl der verkauften Packungen abhängig sein, sondern von der Hilfe- und Beratungsleistung zur Gesundheit. „Der Aufbau des gegenwärtigen Gesundheitssystems macht aus dem Gespräch eine Mangelware. Apotheker sind diejenigen, die dieses unverantwortliche Defizit ein Stück weit auffangen können, indem sie ihren Patienten zur Verfügung stehen, als Akademiker, als Heilberufler, als elementarer Teil eines Gesundheitssystems, das gut beraten wäre, die Säule der Apothekerschaft zu stärken statt zu dezimieren“, so Prof. Maio.
In diesem Sinne dürften sich Apotheker nicht unter Wert verkaufen, sondern müssen ihren heilberuflichen Auftrag als eine zentrale Säule der Krankenversorgung sehr selbstbewusst im Blick behalten.
Foto: Apothekerkammer, Viktoria Kühne