(Magdeburg, 11. Januar 2023). „Die Ökonomisierung im Gesundheitswesen ist gescheitert. Im Ergebnis sehen wir nun massive Lieferengpässe. Momentan verwenden wir viel zu viel Zeit für das Managen der Lieferprobleme. Das bindet Personal und Geld. Beides fehlt uns“, erklärt Mathias Arnold, Vorsitzender des Landesapothekerverbandes Sachsen-Anhalt (LAV). Die Rabattverträge der Krankenkassen hatten die Jagd nach immer billigeren Arzneimitteln eröffnet. Das führte zu monopolartigen Strukturen in der globalisierten Welt. Das Versagen der Lieferketten und zu wenige Hersteller und Anbieter von Arzneimitteln sind eine Ursache für diese katastrophale Versorgungssituation.
Die Politik hat mittlerweile das Problem erkannt und will handeln. Arnold: „Die Stellschrauben sind gesetzt. Nun muss die Feinjustierung folgen. Der Grundgedanke ist richtig, dass der Arbeitsaufwand in den Apotheken entlohnt wird. Denn wir übernehmen Aufgaben in der Versorgung unserer Patienten, die bisher nicht in der Grundvergütung enthalten sind. Die avisierte Honorierung für das Lieferengpassmanagement bildet jedoch die betriebswirtschaftliche Realität in keiner Weise ab.“
Dazu kommt, dass seit 2013 die Vergütung der Apotheken nicht angepasst wurde. Jetzt schießen die Kosten durch die Decke. Apotheken jedoch sind an die Arzneimittelpreisverordnung gebunden, die keinen Inflationsausgleich beinhaltet.
„Heute verwenden wir fast mehr Zeit in Rücksprachen zu Rezepten als in die eigentliche Versorgung der Patienten. Das bindet Kapazitäten. Auf uns sind eine Reihe neuer Aufgaben zugekommen, die wir nicht lösen können, weil uns das Personal dafür fehlt. Zusätzlich fallen Mitarbeiter durch einen hohen Krankenstand aus“, erklärt Dr. Jens-Andreas Münch, Präsident der Apothekerkammer Sachsen-Anhalt.
Die überbordende Bürokratie zwingt den Apotheken Dokumentationspflichten auf, die zusätzlich viel Zeit kosten. „Wir benötigen dringend Reparaturen im System, damit wir wieder Zeit für unsere heilberufliche Tätigkeit haben. Wir müssen es schaffen, die Menge an Rück- und Absprachen mit den ärztlichen Praxen zu verringern, die Lieferengpässe zu reduzieren und die unsäglichen Vorgaben der Präqualifizierung abzuschaffen“, fordert der Präsident.
Wenn Bürokratieabbau gelingt und wieder mehr Zeit für die Versorgung der Patienten vorhanden ist, schafft das schließlich ein positives Arbeitsumfeld. Das spricht sich auch bis zum pharmazeutischen Nachwuchs herum, so dass sich dieser wieder für eine Arbeit in der öffentlichen Apotheke begeistern wird. „Denn selbst wenn das personalintensive Management von Lieferengpässen wieder nachlässt, brauchen wir für wachsende Aufgaben dringend mehr Mitarbeiter in den Apotheken. Darum benötigen wir hier Unterstützung in der Ausbildung von pharmazeutischen Fachkräften“, so Dr. Münch.
„Hoffentlich bekommen wir in diesem Jahr das Thema der Regresse auf ein normales und vor allem vernünftiges Maß reduziert! Zur Zeit werden wir nämlich für kleinste Formfehler bestraft. Und häufig haften wir für Fehler, die wir nicht ursächlich zu verantworten haben“, erläutert Mathias Arnold. Hinzu kommt, dass die Apotheken in den vergangenen Jahren immer mehr bürokratische Aufgaben übernommen haben. Dies hat zur Folge, dass überhandnehmende Dokumentationspflichten und ein Kontrollwahn entstanden sind. Arnold: „Wir brauchen aber primär die Zeit für die pharmazeutische Betreuung unserer Patienten. Uns darf nicht ständig die Angst im Nacken sitzen, ob bei einer Arzneimittelabgabe wegen rein formalen Fehlern ein Regress droht. Es kann doch nicht sein, dass wir trotz richtiger Versorgung der Patienten wegen kleiner übersehener Formalien „auf Null retaxiert“ werden, d.h. neben dem Honorarverlust auch noch das Arzneimittel für den Patienten komplett aus unserer eigenen Tasche bezahlen müssen.“
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